Bereichert sich ein Dorf auf ihre Kosten?

Drei Jahre ist es her, da war Thea Schädlich (67) aus Kummerfeld eine lebensfrohe Frau mit eigenem großen Grundstück in Kummerfeld, einem Partner mit Haus und Garten in Halstenbek und vielen Plänen für eine gemeinsame Zukunft. Inzwischen ist sie nach dem Tod des Freundes mit zerrütteten Nerven allein – die Gemeinde Kummerfeld aber um knapp 7500 Quadratmeter potenzielles Bauland reicher.

Was war geschehen? Auf Anregung des Amtes Pinneberg-Land wurde Thea Schädlich vor knapp zwei Jahren wegen eines vermeintlichen “ Vermüllungssyndroms“ vom Amtsgericht Pinneberg unter rechtliche Betreuung gestellt. Den Versuch, die Beseitigung lediglich des Mülls mit staatlichen Zwangsmaßnahmen durchzusetzen, hatte es bis dahin nicht gegeben. Das Grundstück mit kleinem Häuschen und viel Grün wurde Schädlich von ihren Betreuern weggenommen und an die Gemeinde verkauft. Grund: Erbschaftssteuerschulden in Höhe von knapp 40 000 Euro, die von dem Grundstücksverkauf beglichen werden sollten.

Der von Thea Schädlich eingeschaltete Rechtsanwalt Gunther Giese aus Pinneberg beanstandet, dass das Barvermögen von Schädlich in Höhe von rund 85 000 Euro ausgereicht hätte, die Verbindlichkeiten ohne Immobilienverkauf zu begleichen.
Wenn überhaupt, hätte das weniger wertvolle, vom Lebensgefährten geerbte Grundstück in Halstenbek sich für einen Verkauf angeboten. Außerdem sei der vereinbarte und unter der Gutachterempfehlung bleibende Verkaufspreis in Höhe von 337 000 Euro zu niedrig angesetzt.

Rechtsanwalt Giese versucht inzwischen, zu retten, was noch zu retten sein könnte. Er hat beim Landgericht Itzehoe beantragt, die vom Amtsgericht Pinneberg erteilte Genehmigung für die von Schädlichs Betreuerin sowie zwei Ergänzungspflegern aus Elmshorn ausgehandelten Kaufverträge aufzuheben. Außerdem möchte Giese per einstweiliger Verfügung erreichen, dass die Gemeinde Kummerfeld ihre bereits weit fortgeschrittenen Rodungs- und Räumungsarbeiten auf dem Grundstück bis zur endgültigen Klärung einstellt.

Giese: „Thea Schädlich wehrt sich zu Recht gegen den Verkauf ihres Grundstücks. Nach meinem Eindruck ist sie geschäftsfähig, und ein Betreuungsbedarf ist nicht gegeben. Der Rechtsanwalt hält es sogar für möglich, dass die Betreuungsanordnung missbräuchlich erfolgte, weil es an dem dafür erforderlichen Betreuungsgrund der körperlichen oder geistigen Unzulänglichkeit Schädlichs gefehlt haben könnte. Denn: Ein 2004 als Gutachter tätiger Sachverständiger aus Seevetal versuchte laut Akte elfmal vergeblich, die Frau aufzusuchen. Nur einmal traf er sie fast zufällig auf offener Straße an.

In seinem Schriftsatz beruft sich Giese darauf, dass Kummerfelds Bürgermeister Hanns-Jürgen Bohland bereits ein Jahr vor der richterlichen Entscheidung sein Interesse an dem direkt an der Bundesstraße gelegenen Grundstück erklärt haben soll. Der Hamburger Professor für Strafrecht, Professor Dr. Bernd-Rüdeger Sonnen, hat unlängst in einem anderen Fall ähnliche Erfahrungen gemacht. „Der Gesetzgeber hat das Betreuungsrecht im Interesse der betreuten Personen reformiert. Ich bezweifele, dass dies in Pinneberg so umgesetzt wird“, sagte er. Sonnen hat das Bundesverfassungsgericht um eine Definition der Rechte von Betreuern gebeten.

Bürgermeister Bohland bestätigte inzwischen auf Anfrage der Pinneberger Zeitung, dass die Gemeinde tatsächlich beabsichtige, auf dem erworbenen Grundstück Einzel- und Reihenhäuser zu errichten.

Das sagt der Bürgermeister
„Frau Schädlich versucht, Stimmung gegen die Gemeinde zu machen. Durfte sie sich überhaupt einen Anwalt nehmen, wenn sie unter Betreuung steht? Ihr Grundstück war total vermüllt, nach Angaben von Nachbarn gab es dort Ratten und anderes Ungeziefer. Die Gemeinde versucht jetzt, dort klar Schiff zu machen. Die Gemeinde hat sich beim Kauf des Grundstücks ordnungsgemäß verhalten. Der Kaufpreis war realistisch, es war nicht beabsichtigt, sich an Thea Schädlich zu bereichern. Es gibt ein entsprechendes Wertgutachten von einem Sachverständigen. Die Betreuer, die für sie tätig waren und das Grundstück der Gemeinde angeboten haben, haben wir vorher nicht gekannt. Dass beim Grundstück jetzt immer mal die Polizei anwesend ist, geschieht, um Frau Schädlich fernzuhalten, die mich und die Gemeindearbeiter mit dauernden Fotoaufnahmen belästigt.“

Das sagt Thea Schädlich
„Es ist schlimm, dass ich all meine privaten Sachen wie Bücher und Meißener Porzellan nicht mehr haben kann. Ich habe Überstunden gemacht, um sie mir leisten zu können. Bevor ich unter Betreuung gestellt worden bin, gleich nachdem mein Partner gestorben war, ist ausgespitzelt worden, ob ich noch andere Angehörige habe. Nach dem Tod meines Freundes ging es mir zwar schlecht, krank gemacht hat mich aber erst die Betreuung. Man ist plötzlich ein Nichts, und das alles nur, damit die Gemeinde an mein Grundstück kommen konnte. Der Arzt, der mich zuerst begutachten sollte, hat mich nur einmal an einem Müllcontainer abgepasst, kurz gesprochen, und das Ganze dann zu einer Riesengeschichte aufgeblasen. Wenn ich mein Grundstück zurück habe, dann bestelle ich einen Gärtner, der alles wieder aufforstet, was die Gemeinde inzwischen vernichtet hat.“ (mg)

Was ist eine Betreuung?
„Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit, oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, bestellt das Vormundschaftsgericht für ihn einen Betreuer“, heißt es in Paragraph 1896 des BGB. Anders als bei den bis 1992 gültigen Vorschriften für Entmündigung bleibt bei der Betreuung die Geschäftsfähigkeit der betreuten Person unangetastet. Außerdem soll ihr Wille nach Möglichkeit beachtet werden. Dies bedeutet, dass in der Regel Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens wie den Einkauf von Lebensmitteln oder Kleidung selbständig und wirksam erledigt werden dürfen. Bestehen geblieben ist außerdem die Verfahrensfähigkeit, das heißt ihre Möglichkeit, in eigenen Rechtsangelegenheiten selbst einzugreifen oder aber sich zu diesem Zweck anwaltlichen Beistand zu sichern.

http://www.anstageslicht.de/geschichtenansicht/berichtansicht/kat/amtsschimmel-buerokratie-behoerdenwillkuer/story/besuch-der-alten-dame-maulkorb-fuer-presse/kapitel/die-berichte-des-hamburger-abendblatt/report/753.html
16.02.2006

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