Die angeklagte Berufsbetreuerin und ihre Tochter besitzen einen ganzen Stall voller Pferde. Und das ist nicht übertrieben: Die 51-Jährige aus Eschenbach hatte bis zu ihrer Festnahme im März 2015 eine Hofstelle in Waldkirchen (Bayerischer Wald) gepachtet. Mit ihrer ganzen Entourage: dem neuen Lebensgefährten, Tochter und Nichte jeweils mit Freund plus fünf Hunden – und am Ende neun Pferden.
Auch dort hat sie verbrannte Erde hinterlassen. „Bei uns sind Mietschulden von 35 000 Euro aufgelaufen“, sagen die Besitzer des Anwesens. Das Ehepaar hat im Februar bei der Staatsanwaltschaft Passau Anzeige wegen Einmietbetrugs erstattet. Das Strafverfahren wurde nach Paragraph 154 Strafprozessordnung eingestellt, weil die Sache in Anbetracht des Weidener Prozesses um 103 Fälle der Untreue nicht ins Gewicht fallen würde. Für Montag ist am Amtsgericht Freyung wegen der außerordentlichen Kündigung ein Zivilverfahren anberaumt. Am Montag ist auch der dritte Verhandlungstag vor dem Schöffengericht in Weiden.
Seit die Dame aufgeflogen war, lebte sie als „Nomadin“ auf bayerischen Reiterhöfen. Der vom Betrug eiskalt überraschte Ehemann hatte sich im April 2014 getrennt. Zunächst kam die kräftige Brünette daraufhin auf einem Reiterhof in der Nähe von Pressath unter, wo sie ihren neuen Lebensgefährten – den ledigen Bruder des Besitzers – kennenlernte. Gemeinsam zog das Paar mit den weiteren Angehörigen im September 2014 in einer „Hauruck-Aktion“ auf der Hofstelle in Waldkirchen ein: 240 Quadratmeter Wohnfläche, Weide und Stall für zehn Pferde. Vereinbart war eine monatliche Pacht von 2500 Euro. Allerdings floss nie auch nur ein Cent. Nach schlimmen Streitereien erwirkten die Hofbesitzer in Waldkirchen ein halbes Jahr später schließlich die Zwangsräumung.
Am 18. März 2015 stand um fünf Minuten vor 9 Uhr der Gerichtsvollzieher vor der Haustür, begleitet von der Weidener Kripo. Knapp zu spät: „Eine Viertelstunde vorher waren sie weg.“ Die Festnahme erfolgte später in der Nähe von Pressath. Es liegt nahe, dass die angeklagte Berufsbetreuerin das Geld, das sie ihren Betreuten abgeknöpft hat, in die Pferde und das dazugehörige Equipment investiert hat. Einige Rösser sollen aus Österreich geholt worden sein. 2014 zählte der Bestand noch vier Pferde. Zum Zeitpunkt ihrer Festnahme im März 2015 hatten Mutter und Tochter neun Rösser im Stall stehen. Darunter sollen ein Friese und ein Vollblut sein.
Die zusammengewürfelte Großfamilie aus der Oberpfalz soll auf großem Fuß gelebt haben. „Die haben mit den Fünfhundertern nur so gewedelt“, sagt ein Angehöriger, der sich distanziert hat. Eine Pferdetrainerin von Monty Roberts unterwies die Tochter in Pferdekommunikation. Neue IPhones, Skiurlaube, Pizzadienst und Kraftfutter – immer nur das Beste. In ihrem Facebook-Account zeigt die Tochter stolz ihre Neuanschaffungen an Pferde-Mode vor: Da trägt ein Pferd namens „Rebell“ türkise Ohrenschützer und auf dem Leib eine farblich abgestimmte Schabracke. Von diesen Decken besäße man gleich Hundert Stück, wie per Internet stolz in die Welt posaunt wird.
Der Verwandte erinnert sich auch, dass durchaus zur Sprache gekommen sei, dass man wegen des angeklagten Betrugs der Betreuten ins Gefängnis kommen könne: „Eine der beiden Frauen hat daraufhin gesagt: Naja, denen glaubt ja sowieso keiner.“ Bei den betroffenen Betreuten handelt sich unter anderem um psychisch Kranke, Alkoholiker, auch ein Gehörloser ist darunter. Ein Opfer – eine alkoholkranke Witwe – lebt nicht mehr. Laut Anklage soll die 51-Jährige eine Summe von mindestens 235 000 Euro von den Konten der ihr Anvertrauten abgeräumt haben. Während der Ermittlungen war die vierfache Mutter zunächst auf freiem Fuß. Erst im März 2015 erließ die Staatsanwaltschaft Weiden nach der Betrugsanzeige in Waldkirchen schließlich doch Haftbefehl.
Der Angehörige ist sich sicher, dass von dem Geld nichts übrig ist: „Das hat die verlebt vom Allerfeinsten. Dieses Geld ist für Pferde draufgegangen.“ Über 253.000 Euro beträgt das verschwundene Vermögen der Betreuten. Einer der neu bestellten Berufsbetreuer hat vorsorglich Hypotheken auf das Haus eintragen lassen, in dem der Ehemann noch lebt. Die Waldkirchener Gläubiger haben sich zudem ein Pfandrecht auf die neun Pferde eintragen lassen, die beim überstürzten Aufbruch auf der Hofstelle stehen geblieben waren. „Bei Nacht und Nebel“ seien die Tiere aber dann verladen worden. Nach NT-Recherchen befinden sich zumindest sieben dieser Pferde derzeit auf einem Reiterhof bei Trabitz.
http://www.onetz.de/deutschland-und-die-welt-r/kultur-de-welt/51-jaehrige-angeklagte-berufsbetreuerin-hatte-hof-in-weiden-gepachtet-ein-stall-voller-pferde-d46842.html
11.06.2015