Die Maschinerie des Betreuungsrechts – In Einzelfällen müssen Betroffene erleben, dass Rechtsbehelfe ihre Wirkung zu spät entfalten

Betreute haben grundsätzlich die Möglichkeit, sich mit den Rechtsbehelfen der Beschwerde und Rechtsbeschwerde gegen angeordnete Maßnahmen im Rahmen des Betreuungsverfahrens zur Wehr zu setzen. Darüber hinaus wird den Betreuten zur Unterstützung in vielen Fällen ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt. Soweit so gut. Es gibt jedoch zahlreiche Fälle, in denen diese Rechtsbehelfe nicht ausreichen, den Betreuten vor der automatisierten Maschinerie des Betreuungsrechts – wenn sie einmal in Gang gesetzt wurde – zu schützen. Es kann gerade im Betreuungsrecht besonders wichtig sein, vorbeugenden Rechtschutz in Anspruch zu nehmen.

In einem beachtenswerten Fall ging es darum, dass ein einwilligungsfähiger Betreuter und ebenso auch sein Betreuer nicht mit einer von den Ärzten vorgesehenen medizinischen Behandlung einverstanden waren. Der Betroffene verweigerte die Einwilligung. Die Ärzte wandten sich daraufhin an das Betreuungsgericht, welches – ganz nach „Schema F“ – sofort die Voraussetzungen einer Zwangsbehandlung und darüber hinaus die – womöglich vorliegende – Ungeeignetheit des Betreuers überprüfte. Denn schließlich zeigte auch dieser sich „unbequem“, indem er im Interesse des Betroffenen der geplanten Vorgehensweise der Ärzte widersprach.
Im sich darin anschließenden Beweisverfahren wurde ein anderer Arzt mit einem entsprechenden Gutachten beauftragt. Der Gipfel dieses Falles bestand darin, dass dieser (eigentlich begutachtende) Arzt den Betroffenen daraufhin nicht nur untersuchte, sondern sich darüber hinaus dazu berufen sah, den fraglichen invasiven Eingriff einfach gleich durchzuführen. Obwohl der Betroffene und sein Betreuer gegenüber ihm und dem Betreuungsgericht ausdrücklich protestiert hatten.
Dieses Vorgehen war rechtswidrig. Auch ein gerichtlich zum Sachverständigen beauftragter Arzt darf einen Menschen nur mit wirksamer Einwilligung untersuchen und erst recht nur mit Einwilligung invasiv behandeln. Ansonsten liegt eine schwere, nicht gerechtfertigte Grundrechtsverletzung (Selbstbestimmungsrecht) und Straftat vor.
Aber was bedeutet dies im Nachhinein für den Betroffenen? Er musste den Eingriff über sich ergehen lassen, ob der Arzt deshalb womöglich bestraft wird oder nicht, ändert daran nichts. Dem Betroffenen bleibt, einen Antrag auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit zu stellen.
Berechtigt ist unserer Meinung nach deshalb vor allem die Frage, wie im Voraus vermieden werden kann, dass Betroffene eine solche unwürdige, rechtswidrige Behandlung gegen ihren Willen über sich ergehen lassen müssen. Hier hilft unter Umständen die Erhebung einer vorbeugenden Unterlassungsklage oder eine einstweilige Verfügung. Aber auch diese vorbeugenden Rechtsbehelfe nehmen eine gewisse Zeit in Anspruch. Es ist gut möglich, dass das Betreuungsgericht trotzdem schneller ist. Dann bleibt dem Betroffenen tatsächlich nur noch die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit. Am Ende zahlt der Einzelne für den Automatismus des Betreuungsrechts unter Umständen einen hohen Preis.
(BtPrax 6/2011 „Der Schutz des Betreuten vor dem Betreuungsgericht“)

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